Schubladen der Philosophie

Heute bin ich über eine Karikatur gestolpert, die darauf aufmerksam machen soll, wie verquert der Blick der Welt auf unsere Probleme ist – namentlich Kriegsveteranen, die als verarmte, kaputte Bettler enden, während Gefallenen alle Ehre zu teil wird, die sie verdient haben.

Ich frage mich gerade, woran das liegt und habe da verschiedene Thesen:
zum Einen ist natürlich so ein Kriegerdenkmal deutlich neutraler, einfach hygienischer, als das Gesicht eines „vielfachen Mörders“ – das ist genauso wie das saftige Steak in der Blisterverpackung, hinter dem kaum jemand die Augen der sterbenden Kuh sehen möchte.
Dann ist da natürlich die generelle Betrachtung des Krieges. Seien wir realistisch: für 99% der Bevölkerung besteht ein Krieg aus den Nachrichten der Zeitungen, des Fernsehens. Krieg besteht aus ein paar Linien auf gezeichneten Landkarten, Schraffuren, wo Kämpfe stattfinden… und aus Zahlen. Opferzahlen. Hier sind es 120 Opfer, drüben 6000 Opfer – hey was solls, bei dem Tsunami 2004 starben geschätzte 250.000 Menschen… ertrunken, zerschmettert, durch Krankheiten und Seuchen verstorben… Dann noch ein paar Fernsehbilder von Fliegern, Raketen und Explosionen (da regt sich natürlich mein verspieltes Männerherz, das eh immer schon einmal *bumm* machen wollte, ausgebombte Straßenzüge, zwischen denen Soldaten stehen. Mit ihrer Kalashnikov, ihrem M16, oder ihrem G3 im Anschlag. Sie stehen da, wie ein Baum: sicher, loyal, unnahbar und unantastbar. SO sehen Kriegshelden aus (…und eben das Denkmal, wenn sie tot sind).
Und dann sitzt da der lebende Kriegsheld auf der Straße. Erbärmlich, krank, psychisch traumatisiert, die Flasche Wodka in der Hand… oder Whiskey, oder Rum. Die Finger und der zottelige Bart gelb von der gerollten Dachpappe, die er raucht, weil er nichts anderes mehr hat, sich festzuhalten. Hey, HALLO, dieser Mann hat sein Leben riskiert, vielleicht sein Bein dabei verloren – oder seine Kameraden… dafür, dass wir es hier warm haben, es hier sicher haben, wir unseren Status Quo verteidigen (zur Not auch noch gegen die ärmsten der Armen).
Kannst Du töten? Ja, Du, der das hier gerade liest. Könntest Du ein Messer nehmen, es einem Feind in den Hals rammen? Ein Sturmgewehr durchladen und abdrücken? Sehen wie Dein Feind getroffen zu Boden geht… Blut und Hirnmasse sich auf dem Boden verteilen… Dein Feind? Ist es nicht auch nur ein Mensch wie Du? Ein Mensch, der genauso wenig sterben wollte, wie Du es wolltest? Dieser Mann, der da gerade gestorben ist, war ein liebender Familienvater, mit Kindern, die jetzt nichts mehr haben, außer einer Erinnerung.
Nein, Dieser Veteran, der da gerade vor Dir so heruntergekommen auf der Straße sitzt, konnte das genauso wenig wie Du – aber er tat es trotzdem, weil es getan werden musste, weil genau dieser Soldat sonst gestorben wäre, wie sein Gegner… und nun sitzt er da, vor Dir auf der Straße… und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sein Gegner schneller gewesen wäre, als er…
Krieg ist scheiße, Kriege dürften nie passieren – aber sie passieren. Darüber zu philosophieren, warum es Kriege gibt, würde hier und jetzt den Rahmen sprengen… wir Menschen scheinen zu verschieden zu sein, als dass wir alle miteinander und immer in Frieden leben könnten… Aber so lange es Kriege gibt, wird es Soldaten geben, die genauso wenig töten können, wie du es kannst, die seelisch kaputt gehen daran, dass sie es getan haben.
Und wenn DU jetzt das nächste Mal an einem „Penner“ vorbei gehst – geh ein paar Sekunden in Dich und mache Dir klar, dass genau dieser Penner… vielleicht gerade er, als Soldat einen Mord begehen musste, den er niemals hätte begehen wollen… und jetzt vor Dir sitzt und Deine Hilfe braucht.
*nachdenklich*
Thomas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert