Von Freundschaft und Vertrauen

Sind echte Freunde wirklich ausgestorben?

Seit je her haben Freunde im Leben eine wichtige Rolle gespielt. Freunde konnten zuhören, Ratschläge geben. Trost spenden. Durch Freunde ist man an Jobs gekommen, Freunde konnten die Katze hüten, oder Blumen gießen, Freunde haben geholfen, ein Haus zu bauen.
In letzter Zeit liest man es überall, ich höre es von Anderen und spüre es auch selbst, dass echte Freundschaften seltener, oberflächlicher und unzuverlässiger werden. Da ist die Katzenhüterin, die unter fadenscheinigen Ausreden abspringt, da ist selbst mit langem Vorlauf niemand, der mal auf das Kind aufpassen kann, wenn man zum Elternabend muss… und selbst vor dem Umzug steht Lieschen Müller ohne helfende Hände.
Sicherlich: wir leben in einem Jahrhundert, in dem „Zeit“ die heimliche Leitwährung ist, in dem ein Vollzeit-Job heißt, dass man 24 Stunden am Tag für die Firma erreichbar ist, E-Mails liest und schreibt und Überstunden Voraussetzung für eine Anstellung sind.
Und auch klar: das Einkommen des Durchschnittsverdieners reicht heute kaum noch, um die Miete zu bezahlen und billige Kohlenhydrate zu kaufen, statt gesund zu LEBEN – das Leben ist in unserem Leben auf der Strecke geblieben.
Dann ist da noch die Sache mit den sozialen Medien. Wir lesen und hören ja überall, dass genau die Kommunikationsplattformen für Facebook Schuld daran sind, dass wir vereinsamen… Vereinsamung in der Menge. Das, was dem Bettler auf der Straße schon vor Jahrzehnten klar geworden ist, erleben wir, die „normalen Bürger“, jetzt am eigenen Leibe auf Facebook &Co.
Gehen uns die Freunde vielleicht deswegen aus?
Nein, ich glaube, Schuld ist nicht das neue Berufsleben, Schuld sind nicht die sozialen Medien – wenn man überhaupt von Schuld sprechen kann. Und ich glaube, dass genau da das Problem liegt: wir *glauben*, dass es so ist, reden uns ein, dass es keine echten Freunde mehr gibt, reden uns ein, dass Facebook und Großkonzerne unsere Gesellschaft bereits kaputt gemacht haben.
„Stell Dir vor, es ist Krieg – und keiner geht hin“.
Dieses Zitat aus einem Gedicht von Carl Sandburg lässt sich in all seiner Ironie, seiner Wahrheit und Bedeutung eins zu eins auf unsere Gesellschaft übertragen:
„Stell Dir vor, die Konzerne diktieren Deine Gedanken – und Du denkst nicht dran“.
Die Freunde sind noch immer da – auch die echten Freunde. Wir sehen sie nur nicht mehr vor Informationsflut… Freundschaften gehen unter im digitalen Rauschen. Statt dass wir die „neuen Medien“ für uns als Kommunikationsplattformen nutzen, reale Treffen organisieren und Kontakt halten, wo Schichtarbeit und Überstunden diesen erschweren, klicken wir uns durch das hundertste Dorfleben und teilen Bildchen mit sinnfreien Weisheiten.
Und dann war da noch die Sache mit dem Vertrauen.
Das, was in diesem Jahrhundert mit Abstand am meisten gelitten hat, ist das Vertrauen: nicht (nur) das Vertrauen in die Familie, das Vertrauen in Freunde, oder das Vertrauen, welches nötig ist, um in „50 Shades of Grey“ Manier seine Freundin zum Postpaket zu verschnüren… sondern das Vertrauen in sich selbst.
Heute misstraut jeder jedem. Der Rechte misstraut dem Linken, der Bürger den Politikern… und die Politiker ihrerseits den Bürgern. Der gute Deutsche misstraut als besorgter Bürger den Ausländern, der Arbeitgeber seinen Angestellten… und jeder misstraut jedem.
„Wer die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgibt, wird am Ende beides verlieren“.
Dieses Zitat von Benjamin Franklin bringt sehr schön auf den Punkt, was ich Euch für heute mit auf den Weg geben möchte… vielleicht ein wenig projiziert auf das Vertrauen… denn letztlich gehen Vertrauen und Sicherheit miteinander einher… haben wir uns denn durch Misstrauen wirklich eine echte Sicherheit geschaffen?
In unserem Wahn nach (vermeintlicher) Sicherheit geben wir die Freiheit auf, die Freiheit zu Vertrauen. Durch Misstrauen geben wir unsere Freunde auf – und ohne Freunde… haben wir uns bereits aufgegeben.
Wo gearbeitet wird, wo man etwas schafft, da macht man Fehler – aber ohne etwas zu schaffen, hört man auf zu leben. Mit dem Vertrauen ist es genauso: wo man vertraut, wird Vertrauen missbraucht werden… aber ohne Vertrauen, hat man keine Freunde.
Wenn Du heute Abend nach der Arbeit, nach der Schule, oder nach der nächsten sinnbefreiten Jobcenter-Maßnahme Zuhause bist, Deinen Rechner einschaltest, oder vielleicht auch schon am Smartphone Deine Facebook-Updates liest, überlege doch mal, wann Du das letzte Mal vertraut hast… Freunden vertraut hast.
Liebe Grüße,
Euer Thomas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert