Eine Generation von Nichts- und doch Alles-Könnern

Nichts- und doch Alles-Könner?

Ja, was denn nun? Sind wir nun Nichts-Könner, oder Alles-Könner? Und wie lässt sich das mit der immer weiter fortschreitenden Job-Spezialisierung erklären?

Ältere Menschen werden – wurden auch von mir – öfters mit ihrer „früher war alles Besser…“ Mentalität aufgezogen… und als ich selbst damit anfing habe ich lange mit dieser Einstellung gehadert und versucht zu reflektieren, woher sie kommt.

Nun, wir leben in einer Zeit des Überflusses. Entgegen aller Unkenrufe haben wir alle genug zu essen, genug Jobangebote und jeden erdenklichen Freizeitausgleich. Es gibt, entsprechende Gesundheit vorausgesetzt, nichts was wir nicht tun könnten. Alles ist erreichbar geworden – und alles ist machbar geworden.

Und dennoch können wir nichts mehr – nichts mehr richtig.

Ich möchte es Euch anhand eines Beispiels erklären, was ich meine

Wer früher fotografieren wolle, musste Hürden überwinden. Zunächst war eine Kamera nicht eben auf Amazon bestellt, sondern musste in der Regel erspart werden. Schon vor dem Kauf hat man sich mit der Fotografie beschäftigt. Nicht nur mit der Fotografie selbst, sondern auch mit sich: mit der Frage „was will ich eigentlich fotografieren?„.

Wenn dann das Geld da ist und man wirklich wusste, was man fotografieren will, erwartete einen die nächste Hürden: ASA und ISO Zahlen? Blende, Belichtung, Brennweite? Und warum ist nicht die ganze Trachtengruppe scharf, sondern nur die vordere Reihe? Kurz: man musste sich mit der Technik des Fotografierens auseinander setzen, sonst sah man sprichwörtlich schwarz. Oder unscharf. Oder beides.

Diese Zeiten sind selbstverständlich lange vorbei. Heute hat jeder ein Smartphone mit eingebauter Kamera, die sich um alle diese Dinge kümmert. Man braucht nur noch drauf halten und schon ist das Foto im Kasten – perfekt belichtet, durchgehend scharf und sogar den richtigen „offene Augen“ Moment erwischt das Smartphone vollautomatisch! Wozu sich noch mit dem ganzen „alten Kram“ beschäftigen?

Ganz einfach: es ist ein Irrglaube

Jeder weiß, dass ein Smartphone eben nicht immer perfekte Fotos macht: sie sind oft verwackelt, unter- oder überbeleichtet, sie sind verrauscht, irgendwie „von vorne bis hinten platt“ – und spätestens in der Dämmerung legt man das Handy sowieso beiseite.

Licht, wie wir es heute kennen, existiert seit etwa 13,7 Milliarden Jahren und besteht aus Photonen. Daran hat sich auch in den letzten 200 Jahren Fotografie nichts verändert. Photonen fliegen durch Linsen abgelenkt auf eine fotoempfindliche Schicht, oder Detektorplatte. Das Wissen über die Physik und  die Technik der Fotografie machen eine umfassende Bildgestaltung überhaupt erst möglich.

Oberflächlichkeit als Massenphänomen?

Das beliebig verfügbare Wissen, gepaart mit umfassender Technik, die uns den Alltag erleichtert, führt dazu, dass wir im Alltag immer weniger „unter die Haube schauen„, immer weniger Hintergrund, immer weniger Basis verstehen. Wenn wir früher unsere Segelflug-Modelle in der Luft halten wollten, brauchten wir ähnliches Wissen über Aerodynamik, wie ein Pilot – heute fliegen wir in unserer Freizeit Quadrocopter mit Gyrostabilisierung und GPS, die uns folgen können, von alleine zurück finden und sogar programmierte Loopings fliegen. Dennoch kann die Technik nicht darüber hinweg zu täuschen, dass auch ein Flugmodell den Gesetzen der Physik unterliegt – genau wie beim Auto Antiblockiersysteme und elektronische Fahrwerksstabilisierung nicht darüber hinweg täuschen können, dass ein Auto bei Glatteis aus der Kurve fliegen kann (was genau der Grund dafür ist, warum trotz aller Technik noch immer so viele schlimme Unfälle passieren).

Würden wir die ganze Technik als das nehmen, was sie ist: nämlich als Mittel des Komforts und nicht als Ersatz für ein eingeschaltetes Hirn, würde uns so manche herbe Bauchlandung erspart bleiben.

Aber ich kann doch nicht für alles ein Studium ablegen?

Warum eigentlich nicht?

Nein, Spaß beiseite: sicherlich braucht man weder ein Studium zum Fotografieren, noch um eine Drohne zu fliegen – und auch nicht zum Auto fahren. Aber ein wenig „unter die Haube schauen“ tut nicht weh – und wenn man erstmal wieder gelernt hat zu lernen, macht das Lernen auch wieder Spaß – und das geliebte Hobby wird doppelt so interessant.

Vier Kompetenzstufen der PferderatSCHLÄGE

Inspiriert durch einen Thread in einer Facebook-Gruppe, dann doch so weit von dem Thema abgekommen, dass es fast auch für meinen Blog taugt – der Ursprung war aber eine Gruppen-Antwort, so dass die Einleitung verwirrend sein kann:

Eigentlich wollte ich zu diesem Thread gar nichts schreiben, da sich alles, was ich hätte dazu schreiben können, in den (wenigen) guten Beiträgen bereits wieder findet: Antoinette Hitzinger zum Beispiel, die mit Fragen statt RatSCHLÄGEN sicherlich erfolgreicher sein wird, als „Das Pferd will Dich dominieren“, oder „Such Dir einen Trainer“ und ähnliche Laienaussagen.

Doch dann habe ich mir tatsächlich die Mühe gemacht und alle Beiträge einmal durchgelesen und natürlich auch die Videos geschaut. Die verschiedenen Meinungen, Sichtweisen und auch Weltanschauungen waren für mich viel spannender, als das Thema an sich.

Zunächst haben wir hier eine Besitzerin, die augenscheinlich alles weiß, alles erklären kann und ihr (unsicheres) Pferd, absolut im Griff hat. Sie Kennt „Sicherheitsgriffe“, die guten Grip gewähren, und man im Zweifelsfall auch schnell loslassen kann (wäre es nicht das falsche Seil dafür, das sich aufgrund seiner Struktur dehen und damit sehr wohl zu ziehen kann), die ihr Pferd kennt, aber trotzdem nicht weiter weiß und deswegen ein Video einstellt, welches eine Besitzerin und ein Pferd „draußen“ in der Natur zeigen, die absolut keinerlei Bindung haben. *confused*

Dann sind da die fünf Gruppen der RatSCHLÄGEr und ein paar wenige, die die richtigen Fragen stellen:

„Ich bin Anfänger, aber…““

Diese Gruppe mag ich eigentlich recht gerne: immerhin auf Stufe zwei (Bewusste Inkompetenz) der Kompetenzstufen wissen sie, dass sie eignetlich keine Ahnung und Erfahrung haben, aber beobachten und verlassen sich auf ihr Gefühl. Oftmals haben sie dabei im Ansatz die richtige Intuition.

„Das darfst Du nicht, das ist gefährlich“

Oh ja, eine sehr faszinierende Gruppe – denn einerseits haben sie ja vielleicht(!) sogar Recht, mit ihren Mahnungen, doch auf der anderen Seite würden wir heute noch in Höhlen leben, oder zumindest gedanklich auf einer Scheibe verweilen, wenn wir keinen Forscherdrang entwickelt hätten. Und was ist schönere Forschung, als mit dem Pferd draußen die Natur zu genießen. Diese Gruppe lässt ihre Kinder nur mit Vollschutz und Rückenprotektor aufs Bobby-Car.

„Hol Dir professionelle Hilfe“

Eigentlich ist diese Gruppe nur eine Teilmenge der „Das darfst Du nicht“: professionell ist nur, wer seinen Trainer-C hat (selbst wenn erst seit ein paar Monaten) mit Sattel, Helm und Trense reitet, das Kinn hoch, die Hacken runter und die Zügel stramm. Wilde Cowboys sind Tierquäler und die Spinner der Natural Horsemanship-Fraktion kann man sowieso nicht ernst nehmen. Bravo, für Euch habe ich einen Job als Betriebswirt bei Siemens.

„Oh, ist die süß“

Die Rosa-Einhorn Fraktion darf natürlich auch nicht fehlen, sobald es um Tiere geht. Die haben zwar keine Meinung (und auch vermutlich keine Ahnung), aber sie finden eine Situation, die mit einem unerwarteten Knall aus der Büchse eines Jägers hätte bis zur Lebensgefahr eskalieren können, erst einmal „süß“.

„Du solltest dies|jenes|welches“

Die wohl mit Abstand größte Fraktion: jeder dieser Gruppe kennt das Pferd im Video seit Jahren, hat schon hundert Pferde selber von Fohlen-Alter an groß gezogen und hat tagtäglich mit schwersten Fällen von misshandelten oder vernachlässigten Pferden zu tun gehabt. Die Kompetenz erstreckt sich dabei von gesundheitlichen Fragen, über Beritt, bis hin zu hoffnungslosen Fällen. Bitte lasst Euch sagen: es GIBT diese Menschen, aber: Ihr seid es nicht – denn wenn Ihr es sein würdet, würdet ihr wie Antoinette Hitzinger oder Marina Lange reagieren und Fragen stellen. Ihr stellt die Stufe 1 der Kompetenzstufen dar: „unbewusste Inkompetenz“.

„Ich brauche mehr Informationen“

Diese Gruppe fällt unter „bewusste Kompetenz“, teilweise sogar „unbewusste Kompetenz“ – auf jeden Fall: DAS sind die Profis, die wissen, wie man sich ein (umfassendes) Bild macht, analysiert und seinen Gegenüber weiter bringt. Es ist oft schwierig, sich aus der Vielzahl von Antworten die Richtigen herauszusuchen. Die richtige Einschätzung der vier Kompetenzstufen ist nicht leicht. In der Zeit des globalen Wissens wird es immer schwieriger, die Blender von den Kompetenten zu unterscheiden, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Doch dieser Schritt sprengt für heute den Rahmen und wird sicherlich Teil zukünftiger Blogbeiträge – so stay tuned.

Euer Thomas

Die Magie der Glaskugel

Seit Menschengedenken sehnen wir uns nach einer Wahrheit, die weiter reicht, als unsere Wahrnehmung. Dabei scheint es vollkommen nebensächlich, ob diese auch wahr ist.

Die Glaskugel im Okkultismus der Kristallseherinen des 19. Jahrhunderts waren dann die Blüte der Hellseherei… dachte man – bis dann Ende des zwanzigsten Jahrhunderts die Menschheit sich immer weiter von der Realität und eigener Wahrnehmung entfernten. Das Internet übernahm das Denken, wahr war, was die Computer ausspuckten. Read more „Die Magie der Glaskugel“

Pferdehufe – ein Wunderwerk der Natur

In einer Facebookgruppe ging es mal wieder um das Beschlagen von Pferdehufen. Ein Frau hatte ihr Pferd aus Angst vor dem „Wegrutschen auf Asphalt“ beschlagen lassen, nachdem sie mit Hufschuhen schlechte Erfahrungen gesammelt hatte.

Meine Antwort möchte ich hier als allgemeine Gedankenanregung einmal einfügen:


Also… lass mich nochmal sicher stellen, dass ich Deinen Text richtig verstanden habe:

Du hast ihn mit Hufschuhen (nicht Barhuf!) geritten und er ist weggerutscht, hast ihn dann beschlagen lassen (ebenfalls nicht Barhuf!) und es ging viel besser…

…und das ist jetzt das Argument, ihn nicht Barhuf reiten zu können/wollen? Ich verstehe da die Logik nicht. Wahrscheinlich habe ich da aber etwas falsch verstanden.

Ein paar generelle Gedanken zum Thema Beschlagen, Hufschuhe &Co von meiner Seite:

Die Urahnen unserer heutigen Pferde entstanden Anfang/Mitte Tertiär (Erdneuzeit) – also vor etwa 50 Millionen Jahren. Sie haben von der Evolution her so ziemlich alles mitgemacht: Trockenperioden, Eiszeiten, diverseste Klimawandel. Sie lebten vornehmlich in steppenartigen Gegenden, aber auch im Eis und sogar auf blankem (rutschigen Fels). Auf diese wechselnden Bedingungen haben sich die Pferde perfekt angepasst und so sind die Hufe unserer heutigen Pferde wahre Wunderwerke der Anpassungsfähigkeit.

Der Huf hat viel mehr Aufgaben, als einfach „nur“ das Pferd zu tragen, er ist Blutpumpe, Tastorgan, ein Stoßdämpfer… und sogar ein Ausscheidungs- und Entgiftungsorgan… was er außerdem perfekt kann ist: Kontakt zum Boden herstellen – und das egal ob Schotter, Matsch, Asphalt – oder sogar Eis.

Wann immer wir in dieses ausgeklügelte System eingreifen, riskieren wir, dieses System (und das Pferd) aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein solches Risiko sollte nur eingegangen werden, wenn wir erstens verdammt genau wissen, was wir tun – und zweitens, wenn wir einen guten Grund (Krankheiten, Pflege) dafür haben.

„Ich habe Angst, dass mein Pferd rutschen könnte“ zählt mit Sicherheit NICHT zu den guten Gründen, ein Pferd zu beschlagen… vor allem dann nicht, wenn man es noch nicht einmal *probiert* hat, sondern gleich mit Hufschuhen und Beschlagen angefangen hat.