Von Fastfood und Pinguinen

Es war einmal ein Computerbenutzer (genauer gesagt: eine Computerbenutzerin, obwohl das streng genommen für diesen Text absolut keine Bewandtnis hat, da es genauso gut hätte Max Mustermann sein können), nennen wir sie Lieschen Müller.
Lieschen hat seit vielen Jahren vornehmlich mit Windows-Systemen zu tun und seit ein paar Monaten nun auch mit einem Apple und ist das, was man landläufig als „erfahrenen, routinierten Computer-DAU mit Hirn bezeichnet, der durchaus in der Lage ist, Programme und sogar sein Windows neu zu installieren, sich im tiefsten Herzen aber wünscht, dass es doch bitte „einfach nur funktionieren“ sollte – ich denke, dass viele sich hier wiedererkennen werden.
Zu dem angebissenen Apfel kam sie auch aus eben dem Grund: es sollte „einfach nur funktionieren“ – und dafür war Apple ja nun einmal bekannt… und schließlich: Millionen Medien-Designer und Internet-Hipster können nicht irren. Leider hat sie ihr schickes MacBook Pro aber erstens ohne eine schnelle SSD Festplatte gekauft und zweitens eine viel zu große Erwartungshaltung mitgebracht… schließlich verspricht die Firma mit dem angebissenen Apfel ja, dass der Computer für sie das Denken übernimmt.
Es kam, wie es kommen musste: Programme wie Screenflow blockieren einzelne Tasten, das Wirrwar um Java treiben einen „ich will es doch nur benutzen“ in die Verzweiflung – und mit Dropbox, Videoschnitt, Desktop-Publishing etlichen Terabyte Daten und dem Versuch, auf externe NTFS-formatierte Festplatten zu schreiben, merkt Lieschen Müller schmerzvoller Weise, dass sie eigentlich schon seit Langem zu einer Power-Userin geworden ist.
Also doch wieder Windows? XP und Windows 7 waren noch so vertraut… zwar wurden die Laptops zwar nach ein paar Monaten schon unerträglich langsam – und die Angst vor Viren tut ihr Übriges… aber da wusste man sich wenigstens noch zu helfen und das obligatorische Defragmentieren war gegen die Mauern aus Finder und Gatekeeper fast eine süße Qual nach Art von 50 Shades Of Gey… Doch nun läuft auf aktueller Hardware nur noch Windows 8 und 10 und das hat so ein bisschen was von Teufel und
Beelzebub: Windows 8 ist einfach unbenutzbar und mit Windows 10 kannst Du gleich Deine Seele an NSA und Großkonzerne verkaufen…
…doch da nahte unerwartete Hilfe in Form eines kleinen, ulkigen und unförmigen Lebewesens: einem Pinguin. Seien wir ehrlich: viel zu kurze Beine, mit denen er nur watscheln kann, Flügel, mit denen er nicht fliegen kann – und doch zählt er mit der vier Zentimeter Fett-Plauze zu den schnellsten und wendigsten Lebewesen… in SEINEM Element… und das Element heißt für DIESEN Pinguin: Datenverarbeitung.
Schnell also einen alten AMD zusammengebastelt, zwei alte Terabyte-Platten rein und mit Software-Raid, Debian-Linux und schlanker xfce Oberfläche sein erstes eigenes Linux-System drauf gebastelt. Erster Eindruck? Sauschnell – wenn man bedenkt, dass der Rechner vielleicht 1/10 der Prozessorleistung vom MacBook hat und selbst bei der Standardinstallation schon mehr sinnvolle Tools dabei sind, als sich auf dem Mac an Freeware gefunden haben (Lieschen hat zum Glück den Umfang von dem Paketmanager noch nicht entdeckt).
Doch dann das böse Erwachen: es ist anders! alles ist anders… und selbst die komfortable Verknüpfungsverwaltung fühlen sich erstmal „fremd“ an – wo man doch gerade auf dem Mac gelernt hat, wie umständlich das doch alles ist… und dann kann das E-Mail Programm noch nicht einmal HTML und irgendwie sieht das alles auch ein wenig altbacken aus… irgendwie… so unspektakulär.
Nun ist es so, dass wir Menschen von Grund auf bequem sind und den Weg des (vermeintlich) geringsten Widerstandes gehen… es ist so wahnsinnig bequem, mit dem Auto an den Drive-In zu fahren… zwei BigMac, Cola und zum Nachtisch eine Apfeltasche. Auf der Mikrowelle steht die Warnung, dass Katzen nicht in der Mikrowelle getrocknet werden dürfen und das Auto warnt davor, dass es im Winter glatt sein könnte. Wozu noch denken? Man könnte meinen, wir sind einer Betriebsblindheit erlegen.
Doch das alles ist eine Scheinwelt, solange Du Dich im Bereich des 08/15 bewegst. Richtig: McDoof ist nicht toll, sondern macht Dich krank – und wenn Du auf der Landstraße ins Schleudern kommst, wirst Du merken, dass auch der siebenundzwanzigste Airbag im Auto Dein Leben nicht vor den Gesetzen der Physik retten kann… und die freundliche Dame am Drive-In Schalter weiß auch nicht automatisch von Deiner Gluten-Unverträglichkeit und lässt Dich gnadenlos dran krepieren.
Genauso ist es mit dem kleinen Pinguin: es ist kein Bug, wenn bestimmte Sachen nicht automatisch funktionieren, sondern ein Feature. Nein, eine E-Mail muss nicht zwingend HTML formatiert sein, dass Dir eine Markup-Scheinwelt vorgaukelt, die Spammern, Pishern und alten griechischen Pferden Tür und Tor öffnet… und wenn es unbedingt sein muss, dann gibt es immer noch Programme, die das besser, schneller und effizienter können – das ist nicht Aufgabe eines E-Mail Programms… man versuch ja auch nicht, mit einem Küchenmesser eine Schraube reinzudrehen – wobei… auch DAS hab ich bei Lischen Müller schon erlebt… gehört aber nicht hier her.
Ein Motorrad ist kein Auto. Diese vermeintliche Binsenweisheit würde niemand in Frage stellen – und ein Motorrad mit Lenkrad, vier Rädern und Anschnallgurt würde ziemlich dämlich aussehen. Genauso ist es beim Umstieg von Windows/Mac auf Linux: es funktioniert *anders* als Windows – und das ist keine „Schwäche“, sondern im Gegenteil: seine Stärke. Wenn man sich *das* bewusst macht, wird man mit einem System belohnt werden, dass einem eine Flexibilität, Vielfalt und Effizienz bietet, wie es sie ansonsten nirgendwo anders gibt.